17.06.2021 – Leserreaktionen

Den «toten Punkt» gemeinsam überwinden

Zum Rücktrittsangebot von Kardinal Reinhard Marx

Die Kirche sei an einem «toten Punkt» angelangt: Diese Aussage von Kardinal R. Marx dürfte gerade bei «kirchenmüden» Katholiken auf Beifall stossen. Eine weitere Schlagzeile, die deren Abkehr oder gar den Austritt rechtfertigen könnte.

Wegen des noch ausstehenden Gutachtens zu seiner Diözese blieben dem hohen Würdenträger nur zwei Optionen: abwarten oder handeln! Nach seiner Art, Probleme anzugehen, entschied er sich für den zweiten Weg.

Berufsbedingt in einer hessischen Kleinstadt wohnhaft, lernten wir den jungen Vikar Marx kennen, der dort erste Erfahrungen in der Seelsorge sammelte. Anpackend und direkt, von der Kirchgemeinde anfänglich skeptisch beäugt, um am Ende umso herzlicher verabschiedet zu werden.

Nach Überführung eines grossen Teils seines Vermögens in eine Stiftung und Verzicht auf das Bundesverdienstkreuz nun das Angebot seines Rücktritts als Erzbischof. Ein Kleriker also, der bereit ist, auf die Stimme des Gewissens, der Öffentlichkeit und die der Gläubigen zu hören. Jedes andere Handeln wäre für ihn kaum denkbar. Wie auch immer ein abschliessendes Urteil über mögliche Unterlassungen oder zu tragende Konsequenzen ausfallen wird, gibt es für ihn wohl nur diesen Weg.

Auch Verantwortungsträger sind vor falschen Entscheidungen nicht gefeit. Mögen die den ersten Stein werfen, welche solche nie treffen! Kardinal Marx stellt sich seinem bisherigen Wirken und fordert damit die Geistlichkeit und uns alle auf, es ihm gleichzutun, denn nur gemeinsam kann der «tote Punkt» in der katholischen Weltkirche überwunden werden.

Charles Biedermann, Basel