Papst Franziskus begrüsst Teilnehmer der Amazonas-Bischofssynode am 8. Oktober 2019 im Vatikan. | © kna.de
Papst Franziskus begrüsst Teilnehmer der Amazonas-Bischofssynode am 8. Oktober 2019 im Vatikan. | © kna.de
17.02.2020 – Aktuell

So sieht Franziskus das Amazonasgebiet

In «Querida Amazonia» entwirft der Papst eine christliche Haltung gegenüber den indigenen Völkern und ihrer Natur

In seinem am 12. Februar veröffentlichten Schreiben «Querida Amazonia» (Geliebtes Amazonien) nimmt Papst Franziskus entschlossen Partei für die Verteidigung der Rechte der indigenen Völker des Amazonasgebiets, ihrer Kultur und der Natur. Er wünscht sich in diesem Gebiet lebendige christliche Gemeinschaften und anerkennt die tragende Rolle der Frauen, ändert aber nichts an den Voraussetzungen für die Priester- und Diakonenweihe.

Das Amazonasgebiet inspiriert Franziskus zu vier Visionen. Amazonien stehe vor einer ökologischen Katastrophe, aber ein wirklich ökologischer Ansatz könne nicht die Völker Amazoniens und die Gerechtigkeit ausser Acht lassen. Ganz entschieden stellt sich der Papst auf die Seite der ursprünglichen Völker: «Die Ungleichheit der Macht ist enorm; die Schwachen haben keine Mittel, um sich zu verteidigen, während der Sieger weiter alles fortträgt», schreibt Franziskus und sagt: «Den nationalen oder internationalen Unternehmen, die Amazonien Schaden zufügen und das Recht der ursprünglichen Völker auf ihr Gebiet und seine Grenzen, auf Selbstbestimmung und vorherige Zustimmung nicht achten, muss man den Namen geben, der ihnen gebührt: Ungerechtigkeit und Verbrechen.» Für den Papst ist klar: «Man muss sich empören.» Aber es sei immer möglich, «Netze der Solidarität und Entwicklung aufzubauen». Es gehe darum, «wenigstens heute wirklich menschlich zu sein».

In seiner kulturellen Vision verteidigt der Papst die eigenständige Kultur der indigenen Völker Amazoniens: «Die globalisierte Wirtschaft beschädigt den menschlichen, sozialen und kulturellen Reichtum schamlos.» Er ermutigt sie, sich um ihre kulturellen Wurzeln zu kümmern. Bei jedem Projekt für Amazonien sei es nötig, sich die Perspektive der Rechte der Völker und der Kulturen anzueignen, denn den lokalen sozialen Akteuren müsse stets die zentrale Rolle zukommen.

«Dazu haben wir kein  Recht»

Klartext spricht der Papst zur Bedrohung der Ökologie Amazoniens durch den Raubbau aus wirtschaftlichen Interessen: «Die unausweichliche Wahrheit ist, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen durch diese Art, mit Amazonien umzugehen, viele Reichtümer des Lebens und grosser Schönheit ‹sich dem Ende zuneigen›». Jede einzelne der Arten habe einen Wert für sich selbst, aber jedes Jahr würden Tausende Pflanzen- und Tierarten für immer verschwinden. «Dazu haben wir kein  Recht.» Franziskus ruft die Christen zu einer anderen Haltung und zum Handeln auf: «Gott Vater, der jedes Wesen im Universum mit unendlicher Liebe erschaffen hat, ruft uns auf, seine Werkzeuge zu sein, um den Schrei Amazoniens zu hören.»

Kulturelle Eigenheiten achten und integrieren

Die Kirche sei gerufen, mit den Völkern Amazoniens unterwegs zu sein. Von seiner Kirche verlangt der Papst eine Inkulturation, denn das Christentum verfüge nicht nur über ein einziges kulturelles Modell. Er ruft dazu auf, die religiösen Ausdrucksformen Amazoniens nicht vorschnell als Aberglaube oder Heidentum zu bezeichnen. «Ein echter Missionar befasst sich damit, die berechtigten Anliegen hinter diesen religiösen Ausdrucksformen zu entdecken.» Franziskus schreibt auch von der Inkulturation der Liturgie: Diese könne viele Elemente der intensiven Naturerfahrung der Indigenen aufgreifen und eigene Ausdrucksformen in den Liedern, Tänzen, Riten, Gesten und Symbolen anregen. Die Beziehung zu Jesus Christus stehe nicht in einem unversöhnlichen Widerspruch zu der ausgesprochen kosmischen Weltanschauung  der indigenen Völker.

Gegen Frauenweihe, nichts über Viri probati

Für die kirchlichen Dienste in den Gemeinschaften Amazoniens befürwortet Papst Franziskus eine von Laien geprägte kirchliche Kultur und Laien-Gemeindeleiter, die mit Vollmachten ausgestattet sind. Er anerkennt, dass sich in diesem Gebiet Gemeinschaften jahrzehntelang nur dank der Präsenz von Frauen gehalten haben, ohne dass dort je ein Priester vorbeigekommen wäre. Er wünscht sich, dass die Eucharistie häufiger gefeiert werden kann, hält aber daran fest, dass nur ein geweihter Priester die Worte der Eucharistie und des Sündenerlasses sprechen könne. Die Option, bewährte verheiratete Männer (Viri probati) zu Priestern zu weihen, erwähnt Franziskus in «Querida Amazonia» mit keinem Wort; er verweist nur allgemein auf das Schlussdokument der Bischofssynode vom Oktober 2019 zu Amazonien, in dem diese Möglichkeit befürwortet wurde. Die Weihe von Frauen lehnt er ab: Wenn man nur darin eine grössere Beteiligung der Frauen sehe, würde dies «auf eine Klerikalisierung von Frauen» hinlenken. «Die Frauen leisten ihren Beitrag zur Kirche auf ihre eigene Weise und indem sie die Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Maria weitergeben.»

Christian von Arx

Stimmen aus der Schweiz zu «Querida Amazonia»