Die ersten Interessierten schreiben sich für einen Abschnitt des Matthäusevangeliums ein (ökumenische Kirche Flüh, 16. Mai 2021). | © Christian von Arx
Die ersten Interessierten schreiben sich für einen Abschnitt des Matthäusevangeliums ein (ökumenische Kirche Flüh, 16. Mai 2021). | © Christian von Arx
16.05.2021 – Aktuell

Das Solothurner Leimental wird zum Skriptorium

Leimentaler/innen schreiben bis Mai 2022 das Matthäusevangelium von Hand ab

Innert eines Jahres wollen Menschen aus dem Solothurner Leimental das Matthäusevangelium abschreiben. Am Sonntag, 16. Mai, startete in der ökumenischen Kirche Flüh das Projekt «Bibel abschreiben 2021/22».

«Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.» Mit diesem Wort des auferstandenen Jesus wird das Buch enden, das Frauen und Männer, Kinder und Jugendliche aus dem Solothurnischen Leimental schreiben. Ein Jahr geben sie sich für diese Aufgabe. Am Sonntag, 16. Mai, erfolgte der Start in einem Gottesdienst in der Kirche Flüh; am Sonntag, 15. Mai 2022, soll am gleichen Ort das fertige Buch vorgestellt werden.

Wie das geht, erklärten Evelyne Standke und Gustav Ragettli von der Vorbereitungsgruppe. Für das Leimentaler «Bibel abschreiben 2021/22» wurde das Matthäusevangelium in etwa 80 Abschnitte (Perikopen) eingeteilt. Diese Abschnitte werden zusammen mit Papier und einer Anleitung auf die Kirchen in Bättwil, Flüh, Hofstetten, Metzerlen, Rodersdorf, Witterswil und das Kloster Mariastein verteilt und liegen dort auf. Interessierte können sich ihren Abschnitt wählen und ihn von Hand abschreiben, an einem Schreibpult in der Kirche oder zu Hause. Vorbild für das Projekt war die St. Galler Coronabibel, für die über 900 Personen die ganze Bibel abgeschrieben haben.

«Es ist wie im Skriptorium eines mittelalterlichen Klosters», sagte Gustav Ragettli. «Wer abschreibt, ist auch Künstlerin und Gestalter.» Eigene Illustrationen sind erlaubt. Die Übersetzung darf man frei wählen. Zusätzliche Gedanken der Schreibenden zum Bibeltext kommen als Anhang ebenfalls ins Buch, erklärte Evelyne Standke. Die Blätter mit den Handschriften werden zu einem gemeinsamen, ökumenischen Buch gebunden: «Ein Zeichen unserer Gestaltungskraft und unseres Glaubens.»

Das meditative Abschreiben von Hand setzt einen Kontrapunkt zur Digitalisierung. Es lädt ein zur Auseinandersetzung mit den Worten des Evangeliums. Zum Projekt der Ökumene Solothurnisches Leimental gehört ein Begleitprogramm mit Veranstaltungen während des ganzen Jahres, publiziert in einem Flyer und auf www.oekumenische-kirche.ch.

Christian von Arx

In sieben Kirchen des Solothurnischen Leimentals finden sich Mäppchen mit Bibelabschnitten, Papier und Anleitung. | © Christian von Arx
Den Eröffnungsgottesdienst zum Bibelabschreiben feierten der reformierte Pfarrer Michael Brunner (links) und sein katholischer Kollege Günter Hulin (rechts); Gustav Ragettli (Mitte) vom OK orientierte über das Projekt. | © Christian von Arx