Kovi-Befürworter Peter G. Kirchschläger und Monika Roth, Moderator Jens Köhrsen, Gegner Tobias Meili und Isabelle Schluep. | © Christian von Arx
Kovi-Befürworter Peter G. Kirchschläger und Monika Roth, Moderator Jens Köhrsen, Gegner Tobias Meili und Isabelle Schluep. | © Christian von Arx
04.04.2019 – Aktuell

Da kündigt sich ein gepfefferter Abstimmungskampf an

Podium an der Uni Basel liess erahnen, wie umkämpft die Konzernverantwortungsinitiative sein wird

Soll das Gesetz Schweizer Unternehmen dazu zwingen, Menschenrechte und Umweltstandards auch im Ausland einzuhalten? Oder bringt es mehr, dies der Selbstregulierung der Wirtschaft zu überlassen? An einem Podium an der Uni Basel prallten die Gegensätze aufeinander.

Zuerst die Begrüssung der Referenten, dann sofort volle Konfrontation: So startete die Veranstaltung zur Konzernverantwortungsinitiative (Kovi) vom 2. April an der Universität Basel. «Der indische Baumwollpflanzer Bandu Sonule bekämpfte auf seinem Feld Schädlinge mit dem von Syngenta produzierten Gift Polo, dann musste er ins Spital und starb nach vier Tagen an Vergiftung», begann Peter G. Kirchschläger, Professor für Theologische Ethik in Luzern, sein Inputreferat. In der Schweiz sei Polo längst verboten. Den Fall nahm er als Beispiel, dass Schweizer Konzerne für wirtschaftliche Vorteile Menschenrechtsverletzungen in Kauf nähmen. Die Rohstoffhändlerin Glencore mit Sitz in Baar vergifte Flüsse im Kongo und die Luft in Sambia. Darum brauche es die Haftung, um die Konzerne für Schäden zur Verantwortung zu ziehen. Genau dies will die Kovi. Sie sei für ihn Forschungsschwerpunkt und Herzensangelegenheit zugleich, bekannte der katholische Theologe und Philosoph.

«Sie wissen, dass das nicht wahr ist»

Da musste Tobias Meili, Chefjurist von Syngenta in Basel und Vorstandsmitglied der Handelskammer beider Basel, sofort kontern. «Das ist ein starkes Stück», wies er den Vorwurf zum «Polo»-Fall zurück. «Herr Kirchschläger weiss, dass das nicht wahr ist.» Der Vorgang sei von den indischen Behörden untersucht worden, der Bericht dazu öffentlich zugänglich. Ergebnis: Die Vergiftung sei auf ein anderes, nicht von Syngenta produziertes Insektizid zurückzuführen. Über den Fall «Polo» in Indien hatte Syngenta schon mit dem Fernsehen SRF gestritten: Das Unternehmen beanstandete einen Bericht der Sendung «10 vor10» vom September 2018 beim Ombudsmann, der ihn mit geringfügigen Ausnahmen als sachgerecht beurteilte. Auf einen Weiterzug an die UBI verzichtete Syngenta.

«Konzernverantwortung ist für uns wichtig», unterstrich Tobias Meili. An Beispielen legte er dar, wie Syngenta Vorwürfen wegen Suiziden infolge hoher Verschuldung von Bauern oder wegen Kinderarbeit nachgehe. Dann ging Meili zum Gegenangriff über. Heute arbeite Syngenta beim Pflanzenschutz mit 1800 Zulieferern zusammen, beim Saatgut mit deren 36 000, davon 25 000 in Indien, und kontrolliere den Standard. Die Schweizer Firmen respektierten im Ausland das lokale Recht (eine Aussage, die Meili ein paar Lacher aus dem Publikum einbrachte). Doch die im Initiativtext der Kovi verlangte Sorgfaltsprüfungspflicht bei «sämtlichen Geschäftsbeziehungen» sei unmöglich. Die Drohung mit der Schadenshaftung in der Schweiz wirke kontraproduktiv: «Dann arbeiten wir nicht mehr mit so vielen Dritten zusammen. Wenn wir auf die Zulieferer verzichten, haben die Leute dort nichts davon», so der Syngenta-Kadermann.

Regeln sollen auch im Ausland gelten

Das leuchtete Peter Kirchschläger nicht ein: «Warum funktionieren Kontrollen der Zulieferer bei der Produktequalität und bei den Terminen, aber nicht bei den Menschenrechten?» Die Menschenrechte seien ein Mindeststandard, der für alle Menschen gelte – überall auf der Welt. Da reiche Freiwilligkeit nicht, es brauche die Haftung als Mittel, um sie durchzusetzen. Entschieden widersprach die Basler Wirtschafts- und Finanzjuristin Monika Roth, Professorin der Uni Luzern und Co-Präsidentin des Initiativkomitees, der gegnerischen Darstellung, die Kovi bringe bei der Haftung eine Beweislastumkehr zuungunsten der Unternehmen: «Nach OR Art. 55 haftet der Geschäftsherr für den vom Unternehmen verursachten Schaden – das kennen wir in der Schweiz schon seit 100 Jahren.» Es gehe darum, dass Schweizer Konzerne internationale Leitplanken auch im Ausland respektierten. Und: «Regeln, die nicht durchgesetzt werden, existieren nicht.»

Fundamentale Kritik an der Kovi äusserte die Agronomin und Ökonomin Isabelle Schluep vom Zentrum für Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit der Uni Zürich: «Sie geht von der falschen Grundannahme zur Weltwirtschaft aus ‹Wir gewinnen, die andern verlieren›.» Das sei eine Rhetorik des Kalten Krieges. Die Kovi setze keine Anreize und bewirke keine Innovation für den Schutz von Klima, Ressourcen und Menschenrechten: «Die Kovi bewirkt das Gegenteil von dem, was sie will.»

Als Veranstalter des Podiums in Basel beteiligte sich das Pfarramt für Industrie und Wirtschaft BS/BL zusammen mit dem Zentrum für Religion, Wirtschaft und Politik und dem WWZ Forum der Universität Basel. Es brachte das Anliegen der Initiative und auch einige der Gegenargumente prägnant zum Ausdruck. Wahrscheinlich wird die Initiative zur Volksabstimmung kommen: Die Initianten hätten einen indirekten Gegenvorschlag des Nationalrates im Aktienrecht akzeptiert, aber der Ständerat wollte im März von diesem Gegenvorschlag nichts wissen.

Christian von Arx