Hat kein Verständnis mehr für das Zuwarten des Bundesrates bei den Gottesdiensten: Felix Gmür, Bischof von Basel und Präsident der Schweizer Bischofskonferenz. | © Detlef Kissner
Hat kein Verständnis mehr für das Zuwarten des Bundesrates bei den Gottesdiensten: Felix Gmür, Bischof von Basel und Präsident der Schweizer Bischofskonferenz. | © Detlef Kissner
13.05.2020 – Aktuell

Bischof Gmür fordert Gottesdienste an Auffahrt und Pfingsten

Der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz schreibt dem Bundesrat

Den Schweizer Bischöfen geht die Geduld aus: Dass Gottesdienste im Unterschied zu vielen anderen Dienstleistungen auch nach dem 11. Mai weiterhin verboten sind, verstehen sie nicht mehr. Das schreibt Bischof Felix Gmür als Präsident der Schweizer Bischofskonferenz dem Bundesrat. Er fordert die Zulassung von Gottesdiensten an Auffahrt oder spätestens an Pfingsten.

«Dass seit dem 11. Mai vieles möglich und offen ist, Gottesdienste aber verboten sind, ist nicht mehr zu vermitteln», schreibt Bischof Gmür am 12. Mai in seinem Brief im Namen der Schweizer Bischofskonferenz. «Für Hunderttausende sind wöchentliche Gottesdienste ein existentielles Verlangen. Sie brauchen eine Perspektive.» Deshalb ersucht der Präsident der Bischofskonferenz den Bundesrat, ab Christi Himmelfahrt (21. Mai), spätestens an Pfingsten (31. Mai) öffentliche Gottesdienste wieder zuzulassen. «Die entsprechenden Schutzkonzepte taugen für Grossanlässe und liegen vor; Abstand und Hygiene werden eingehalten», hält Gmür fest.

In einem Postskriptum verweist der Brief darauf, dass im gleichen Zeitraum auch das jüdische religiöse Fest Schawuot (29./30. Mai) und das muslimische Fest zum Ende des Fastenmonats Ramadan, Id al-Fitr (24. bis 26. Mai), stattfinden. Der Präsident der Bischofskonferenz macht damit deutlich, dass das Gottesdienstverbot nicht nur die christlichen Kirchen, sondern auch die anderen religiösen Gemeinschaften in der Schweiz trifft.

Ausgesprochen loyale Bischöfe

Die Bischöfe der Schweizer Katholiken hatten sich trotz des Gottesdienstverbots bisher ausgesprochen loyal gegenüber den einschneidenden Massnahmen des Bundes in der Coronakrise gezeigt. Sie riefen von Anfang an dazu auf, die Anordnungen von Bund und Kantonen zu befolgen, beriefen sich in ihren Empfehlungen und im Rahmen-Schutzkonzept für Gottesdienste ausdrücklich auf die Covid-19-Verordnung des Bundesrates und unterliessen es bisher, den Bundesrat öffentlich zu kritisieren. Auch in seinem neusten Brief vom 12. Mai dankt Bischof Gmür als erstes dem Bundesrat für sein «beherztes und umsichtiges Vorgehen in der aktuellen Coronakrise» und bestätigt ausdrücklich: «Unsere Kirchen haben Ihre Massnahmen stets mitgetragen und nach bestem Wissen und Gewissen an die Gläubigen vermittelt, denn das Gottesdienstverbot in der Karwoche und an Ostern war für viele Menschen sehr schwer zu ertragen.»

Umgekehrt war bisher nicht festzustellen, dass der Bundesrat diese Loyalität der Bischöfe gewürdigt hätte. Lange Zeit waren die Anliegen der Religionsgemeinschaften dem Bundesrat an seinen Corona-Medienkonferenzen keinerlei Erwähnung wert. Die Auswirkungen der allgemein formulierten Vorschriften für Veranstaltungen auf die Gottesdienste mussten jeweils beim Bundesamt für Gesundheit ausdrücklich nachgefragt werden. Das erste Mal hatte Bundesrat Alain Berset am 29. April die Gottesdienste in einem Satz als «wichtige Frage» bezeichnet, «die zurzeit sehr viele Menschen beschäftigt». Der von Bischof Gmür am 28. April öffentlich geäusserte Wunsch nach Gottesdiensten an Auffahrt und Pfingsten blieb aber unerfüllt, und es wurde auch kein anderer Termin verbindlich in Aussicht gestellt. Der Brief des Präsidenten der Bischofskonferenz vom 12. Mai drückt deshalb zweifellos den innerhalb der Kirchen spürbar gewordenen Unmut über die fehlende Aufmerksamkeit aus, die der Bundesrat den Kirchen gegenüber an den Tag legt.

Christian von Arx