18.04.2019 – Editorial

Begegnung mit dem Teufel

Jeden Tag starben Tausende, abgeschlachtet mit Macheten, verbrannt in Gebäuden, auch in Kirchen. Vor 25 Jahren spielte sich in Ruanda eine gigantische Tragödie ab, die innert 100 Tagen rund 800 000 Opfer for­derte. Für den Völkermord war alles vor­bereitet: die Waffen und das Kerosin eingekauft und gehortet, die Bevölkerung aufgepeitscht. Für aufmerksame Beobachter war klar, dass es nur noch einen Funken brauchen würde, um eine Explosion auszulösen.

Die Zündung erfolgte am 6. April 1994: Zwei Raketen schossen das Flugzeug ab, mit dem Präsident Juvénal Habyarimana von einem Treffen afrikanischer Staatschefs in die ruandische Hauptstadt Kigali zurückkehrte. Zu den Warnern vor einem Genozid gehörte Roméo Dallaire, der Kommandant der UNO-Mission in Ruanda. Im Buch «Shake Hands with the Devil» beschreibt er die Ereignisse. Der Titel basiert auf der Begegnung mit einem der Hauptdrahtzieher des Völkermords, Oberst Bagosora. «Ich weiss, dass es einen Gott gibt, denn in Ruanda habe ich dem Teufel die Hand geschüttelt. Ich habe ihn gesehen, ich habe ihn gerochen, und ich habe ihn berührt. Ich weiss, dass der Teufel existiert, und deshalb weiss ich, dass es einen Gott gibt.»

Auf Gottes Bodenpersonal war kein Verlass. Die katholische Kirche war eng mit dem Huturegime verbunden. Die Aufarbeitung der Beteiligung an den Massakern gestaltete sich schwierig. 1996 lehnte Papst Johannes Paul II. eine Mitverantwortung der katholischen Kirche für den Völkermord ab. Die gleiche Haltung vertrat die ruandische Bischofskonferenz in ihrer Vergebungsbitte zehn Jahre später. Papst Franziskus ging 2017 einen entscheidenden Schritt weiter. Bei einem Treffen mit dem ruandischen Staatspräsidenten Paul Kagame räumte er die Mitschuld der Kirche ein.

Angesichts des Händedrucks der beiden beschleicht einem bei aller Anerkennung für den Versöhnungsprozess, den Kagame in Ruanda angeordnet hat, auch ein Gefühl der Beklemmung. Kagame kehrte 1990 als Anführer einer Rebellenarmee «Ruandische Patriotische Front» aus dem ugandischen Exil zurück nach Ruanda. Nach der Beendigung des Völkermords trat er in die neue ruandische Regierung ein, seit April 2000 ist er Staatspräsident.

Zu Fragen bezüglich seines Verhaltens vor und während des Genozids kommt Kritik wegen der autokratischen Herrschaft im eigenen Land und der Verwicklung in Konflikte im benachbarten Kongo. Der Völkermord in Ruanda hat die gesamte Region destabilisiert und gilt als Ursache der Kongokriege mit mehreren Millionen Toten.

Regula Vogt-Kohler