05.03.2020 – Editorial

Aufbruch statt Aufgeben

Hopfen und Malz verloren: Etwa so klangen manche Reaktionen auf das Papstschreiben zum Amazonasgebiet. Die vorangegangene Bischofssynode, überwiegend mit Bischöfen der Amazonasstaaten besetzt, hatte doch die Weihe verheirateter Männer zu Priestern befürwortet und den Diakonat von Frauen angesprochen. Wenn der Papst nicht einmal jetzt den ausgerollten Teppich betritt, wann dann? Die harten Urteile kamen schnell. Da und dort schlich sich wieder einmal der Gedanke ans Aufgeben ein.

Aber: Es gibt auch andere Stimmen. «Das Papstschreiben ‹Querida Amazonia› lese ich als prophetische Ermutigung zu solch kreativem Suchen nach angepassten lokalen Lösungen. Es lässt meines Erachtens bewusst viele Fragen offen.» Diese Einschätzung stammt von Josef Jeker, Präsident des Vereins Kirchliche Gleichstellung. Er trug sie am 18. Februar in Basel an einem Anlass zur Junia-Initiative vor, die nach neuen Wegen sucht, auf denen kirchlich bewährte Frauen bei uns mit der Spendung von Sakramenten beauftragt werden können.

Diese Sichtweise übersieht nicht das eigenartige Frauenbild des Papstes, das wohl nicht viele Schweizer Katholiken teilen. Aber sie nimmt für die Kirche hier und heute die positiven Aufbrüche in den Blick. Solche gibt es – nicht nur in den sehr engagierten Visionen von Papst Franziskus für die soziale Gerechtigkeit, den kulturellen und den natürlichen Reichtum des Amazonasgebiets, sondern auch in seiner schwer verständlichen, weil widersprüchlichen Vision für die Kirche. Er hält fest, dass das Christentum über mehr als nur ein einziges kulturelles Modell verfügt, und wünscht sich für die Kirche «neue Gesichter mit amazonischen Zügen». Franziskus verlangt die Anerkennung der eigenen Spiritualität der Völker am Amazonas, ebenso die Inkulturation der Liturgie und der Dienste und Ämter. Er fordert mit Vollmachten ausgestattete Laien als Gemeindeleiter und die Entwicklung einer von Laien geprägten kirchlichen Kultur.

Auch die Kirche in der Schweiz mit ihrem über einen langen Zeitraum gewachsenen Verständnis der gleichen Würde und der gleichen Rechte von Mann und Frau ist ein Gesicht der Kirche. Es liegt ganz in der Gedankenwelt des Papstes in «Querida Amazonia», dass die hiesigen katholischen Gläubigen ruhig und mutig zu ihren Überzeugungen stehen und ihre eigenen Wege suchen, um ihren Glauben zu leben. Ein südfranzösischer Bischof hat das Experiment gemacht und das Wort «Amazonien» konsequent durch den Namen seiner eigenen Region ersetzt. Versuchen wir es doch mit dem Bistum Basel.

Christian von Arx