Grollen statt rollen: Am Steuer kommen uns allzu schnell wüste Beschimpfungen über die Lippen. | © Rainer Sturm/pixelio.de
Grollen statt rollen: Am Steuer kommen uns allzu schnell wüste Beschimpfungen über die Lippen. | © Rainer Sturm/pixelio.de
06.05.2021 – Impuls

Galaterbrief 5,22.23a; 6,1.2

Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Enthaltsamkeit … Wenn ein Mensch sich zu einer Verfehlung hinreissen lässt, so sollt ihr, die ihr vom Geist erfüllt seid, ihn im Geist der Sanftmut zurechtweisen. Doch gib Acht, dass du nicht selbst in Versuchung gerätst! Einer trage des anderen Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.

Einheitsübersetzung 2016

 

«An einen grollenden Mönch»

Wer kennt sie nicht, diese Momente, wo es wie eine Stichflamme aus der Magengegend in die Halsschlagader aufflammt und der Puls in Wallung gerät. Aufgepasst: Schnell gerät die Zunge ausser Rand und Band, und schon ist «Feuer im Dach». Gewiss, wir haben uns Anstand und etwas Selbstbeherrschung antrainiert. Aber, und das ist das Problem, die Wut im Bauch rumort weiter: Ein verletzendes Wort, eine saloppe Bemerkung, eine brüske Erwiderung, ungerechte Vorwürfe und böswillige Unterstellungen, schlechte Laune oder gegenseitige Unverträglichkeit. Vielleicht ein ärgerliches Missgeschick, eine Störung zur Unzeit. Die Wut im Bauch kennt tausend Ursachen, mit fatalen Langzeitfolgen. Fängt sie erst einmal an zu eitern, führt sie zu Groll und Verbitterung.

Vielleicht hilft uns ein Abstecher an die Ufer des Nils, an den Rand der Wüste, wohin sich im 3. und 4. Jahrhundert scharenweise Einsiedler zurückzogen. Einer von ihnen war Pachomius, ein Zeitgenosse des Wüstenvaters Antonius. Diese Leute wussten, dass der Mensch durch Wut und Groll irreparablen Schaden nehmen kann. Und sie wussten, wie dagegen vorzugehen sei.

Bereits als 20-jähriger Rekrut wurde Pachomius ausgemustert. Aus seinem Leben wird erzählt: «Als christliche und barmherzige Männer vom Geschick dieser jungen Soldaten vernahmen, da brachten sie ihnen alles, was sie bedurften, und trösteten sie herzlich, da sie in grosser Bedrängnis waren. – Da ich, so Pachomius, diese ihre Handlungsweise sah und mich darüber sehr wunderte, erfuhr ich von meinem Gefährten, dass die Christen gegen alle, vornehmlich aber gegen die Fremden, mitleidig und menschenfreundlich seien.»

Dies wirkte so überzeugend auf den jungen Mann, dass er sich entschloss, Christ zu werden. Er liess sich taufen und vom Einsiedler Palamon in die Askese und ins geistliche Leben einführen. Auf göttliche Eingebung gründete er in Tabennesis (Oberägypten) ein Kloster. Das wurde zur Basis des klösterlichen Mönchtums. Seine neun Mönchs- und zwei Nonnenklöster fasste er zu einer Art Genossenschaft zusammen, straff organisiert unter seiner geistlichen Führung. Von diesen Klöstern ging eine ungeheure Anziehungskraft aus, 7000 Mönche sollen es gewesen sein! – Auch geistliche Unterweisungen des Pachomius sind überliefert, sogenannte «Katechesen». Die erste richtet sich «an einen grollenden Mönch», der seinem Mitbruder aus irgendeinem Grund zürnte.

Da ist sie wieder, die Wut im Bauch, ausgerechnet bei einem Mönch. Sie entspringt unserm Unvermögen, vermeintlich oder wirklich erlittenes Unrecht vergeben zu können. Wenn sie nicht entschlossen behandelt wird, lässt sie uns verbittern, weckt Rachegefühle, die darauf aus sind, es dem andern heimzuzahlen. Sie macht uns anfällig für Schadenfreude, für Häme und Niedertracht. Der Groll lässt die Wut weiterwuchern, sie vergiftet uns von innen her, kann einen Menschen, ja eine ganze Gemeinschaft allmählich verderben und zersetzen.

Ist dagegen kein Kraut gewachsen? Pachomius schliesst seine Katechese so: «Nun, mein Bruder, lasst uns kämpfen gegen uns selbst, da du weisst, dass es finster geworden ist an einigen Orten. Die Kirchen sind voll mit Zänkern und Zornigen. Die Versammlungen der Mönche sind ehrgeizig geworden. Der Hochmut herrscht. … Halte aus in der Versuchung, vollende den Kampf des Mönchtums, sei demütig, werde sanftmütig … Und wende dich nicht von den heiligen Schriften, sondern sei fest im Glauben an Jesus, unseren Herrn …»

Vollende den Kampf! Sei demütig! Werde sanftmütig! – Es gibt einiges zu tun, wenn die Wut im Bauch sich wandeln soll zu Glück und Segen.

Peter von Sury, Abt des Benediktinerklosters Mariastein