Im Gespräch (v.l.): Rolf Bamert, Antonios Haniotis, Patrizia Bernasconi, Meinrad Stöcklin, Eva-Maria Rebholz, Daniel Gelzer. | © Regula Vogt-Kohler
Im Gespräch (v.l.): Rolf Bamert, Antonios Haniotis, Patrizia Bernasconi, Meinrad Stöcklin, Eva-Maria Rebholz, Daniel Gelzer. | © Regula Vogt-Kohler
24.10.2019 – Aktuell

Amtsleiter stösst auf Unverständnis

Podiumsgespräch zum Tag der Überwindung der Armut

Wie schwierig ist es, in Basel eine bezahlbare Wohnung zu finden? Antonios Haniotis, Leiter des Amts für Sozialbeiträge Basel-Stadt, sieht die Situation viel positiver als Patrizia Bernasconi vom Mieterverband. Ein weiteres Thema waren die Gesundheitskosten.

Mit jeder Massenkündigung steigt die Zahl der Menschen, die innert kurzer Zeit eine neue Unterkunft finden müssen. Das ist für Betroffene mit schmalem Budget schwierig. «Auf die Jungen und Alten hat niemand gewartet», fasste es Eva-Maria Rebholz zusammen. Sie muss nach 34 Jahren ihre Wohnung verlassen, weil das Haus nach dem Tod der bisherigen Eigentümerin sogenannt renditeorientiert renoviert wird.

Ihre grösste Herausforderung sei es, eine Wohnung zu finden, sagte sie auf Frage von Moderator Meinrad Stöcklin (Kommunikation RKK BS), der das Podiumsgespräch zum Thema «Armut im Alter» leitete. Während ihre Geschichte bei Patrizia Bernasconi sichtbar Emotionen auslöste, reagierte Antonios Haniotis amtlich nüchtern. In Basel sei im Alter genügend Geld vorhanden, um eine Wohnung zu bezahlen, sagt er – eine etwas unglückliche Formulierung, die hörbares Unverständnis auslöst. «Bei uns bekommt man das Geld», präzisierte er.

Wer Ergänzungsleistungen (EL) bezieht, erhält maximal 1100 Franken für den Mietzins. Das reiche nicht, sagte Bernasconi. Haniotis hingegen sagte, er habe 70 Treffer für eine Wohnung in diesem Preissegment gefunden. Zudem wies er darauf hin, dass der Durchschnittszins für eine Einpersonenwohnung deutlich darunter liege. Dem hielt Bernasconi entgegen, dass die Wohnungen, die sich auf dem Markt befänden, ganz andere Preise hätten.

Neben der Wohnungsfrage sorgt im Alter auch der finanzielle Aufwand für die Gesundheit für Bauchweh. Der Begriff «Alter» ist dabei relativ, wie das Beispiel von Rolf Bamert zeigt. Bei ihm habe das Alter mit 50 angefangen, als er seinen Job verloren habe, sagte er. Bamert leidet unter Zahnproblemen und Hörverlust.

Eine Zahnversicherung wäre eine ganz wichtige sozialpolitische Forderung, sagte der Arzt Daniel Gelzer. Die Kosten für Zahnbehandlungen würden viele Leute in den Ruin treiben. Hörgeräte für beide Ohren kosten 6000 Franken, von IV und EL gibt es aber maximal 1600 Franken. Immerhin gebe es hier einen Fortschritt, sagte Haniotis. Bis vor ein paar Jahren hätten IV und EL nur ein Hörgerät (für ein Ohr; die Red.) finanziert. Für den Arzt ist es fraglich, ob es den immer der Rolls Royce sein müsse. Es sei aber klar, dass ein Hörverlust einen genauso wie schlechte Zähne vom sozialen Umfeld ausschliesse.

In der Schlussrunde appellierte Bernasconi an die Betroffenen, sich bei einer Wohnungskündigung rechtzeitig beim Mieterverband zu melden. Zu oft passiere es, dass die Leute den Kopf in den Sand stecken und die Frist für eine Einsprache verpassen würden. Rebholz wünscht sich, dass man sorgfältiger miteinander umgeht. Bamert ist es ein Anliegen, alle zum Umdenken zu ermutigen. «Als ich einen Job hatte, dachte ich auch, die Arbeitslosen wollen nicht arbeiten.» Heute weiss er es durch leidvolle Erfahrung besser. «Es kann jeden treffen!»

Regula Vogt-Kohler