Die jährlichen Pfarreifeste der Pfarrei Dreikönig werden Peter Bernd in Erinnerung bleiben. | © Christian von Arx
Die jährlichen Pfarreifeste der Pfarrei Dreikönig werden Peter Bernd in Erinnerung bleiben. | © Christian von Arx
08.04.2021 – Aktuell

«Am Ende sind immer Menschen Kirche»

Für Pfarrer Peter Bernd ist klar, dass die Zukunft der Kirche in der Diakonie liegt

In der Osternachtfeier wurde Pfarrer Peter Bernd in der Pfarrei Dreikönig in Frenkendorf-Füllinsdorf und im Pastoralraum Frenke-Ergolz verabschiedet. Auch in seinem neuen Pastoralraum Biel-Pieterlen sieht er die Diakonie als die Basis des Handelns der Kirche.

Sie kamen im Jahr 2008 ins Baselbiet und in die Pfarrei Dreikönig. Was hat Ihnen hier gefallen?

Peter Bernd: Ich habe hier von Anfang an eine offene, befreiungstheologische Ausrichtung gefunden, in der ich mich gut einbringen konnte. Das hat viel mit Maria Klemm zu tun und mit der befreiungstheologischen Gruppe Collège de Brousse. Dort habe ich mehr gelernt als in meinem ganzen Theologiestudium! Dazu kamen die engen Kontakte zum Institut für Theologie und Politik in Münster. Von dessen Arbeit können wir in den Pfarreien profitieren. Es liegt an uns, die vielen theologischen Arbeiten von Frauen und Männern, die in einem weiten Sinn befreiend und emanzipatorisch sind, für die Menschen zu übersetzen, angefangen bei der sonntäglichen Predigt und experimenteller Liturgie, die die Menschen in Dreikönig sehr schätzen.

 

Welche Ziele haben Sie nicht erreicht?

Die Etablierung einer stärker professionalisierten Diakonie war ein Hauptziel unseres Pastoralraums, das wird erst nach meinem Weggang realisiert werden. Ein zweiter Punkt: Wir alle sind suchende und fragende Menschen, die Lebensträume haben. Die «biblische Lesart der Welt» – wie Fulbert Steffensky formulierte – hätte eine unglaubliche Kraft, die Menschen solidarisch zu vernetzen. Das ist ein wichtiger Teil von Kirche-Sein, mit allen «Menschen guten Willens» zusammenzuarbeiten. Da wäre ich gern noch mehr dran gewesen.

 

Sie sprechen das Projekt eines Kirchlichen Regionalen Sozialdienstes (KRSD) an, das ins Stocken geraten ist. Woran liegt es?

Ich bin zuversichtlich, dass es zustande kommen wird. Man muss die Frage nach der Zukunft der Kirche Christi jetzt stellen und nicht erst, wenn keiner mehr da ist. Man muss den Mut haben, das Geld dafür in die Hand zu nehmen, und darf sich nicht von der Angst leiten lassen. Die diakonischen Fragen sind die Basis des kirchlichen Handelns. Die diakonische Stelle hat mit Gerechtigkeitsfragen zu tun, das geht uns alle an. Ob wir in diesem Bereich tätig sind, wird von allen wahrgenommen, auch von den Ausgetretenen. Mit Diakonie und unmissverständlichen menschenrechtlichen Voten kann die Kirche Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.

 

Wir erleben eine Kirche im Umbruch, das löst Verunsicherung aus. Wie sehen Sie die Zukunft der Pfarreien? Was wird sich ändern?

Nach den Prognosen wird es im Jahr 2040 im Bistum Basel noch 35 Priester und 200 Theologen/innen unter 65 Jahren geben. Schon darum dürfen wir die Zukunft nicht von den hauptamtlichen Seelsorgenden her denken, sondern von den Menschen her. Dabei muss die Diakonie eine zentrale Rolle spielen. Der Moraltheologe Daniel Bogner von der Uni Fribourg sagt: «Wir brauchen eine Revolution in der Kirche.» Im 4. und 5. Jahrhundert wurde eine herrschaftskompatible Christenheit geschaffen, davon müssen wir Abstand nehmen. Die Theologie hat diese Revolution schon längst geleistet, jetzt muss die Kirche das übernehmen.

Am Ende sind immer die Menschen Kirche. Wo immer Menschen in Jesu Namen Brot und Wein teilen, da ist Eucharistie. Unser Glaube verbindet uns mit vielen Menschen ausserhalb unserer Kirche. Jesus ist als Jude geboren, hat als Jude gelebt und ist als Jude gestorben. Das muss dazu führen, uns im Dialog mit dem Judentum und dem Islam und mit allen Menschen guten Willens dem Projekt der «Welt-anders», als sie jetzt ist, zu stellen.

 

Was sind Ihre Erfahrungen mit den Pastoralräumen? Nimmt damit nicht die Entfernung von den Menschen zu?

In der Zeit von Bischof Otto Wüst gab es ein Arbeitsinstrument für das pastorale Handeln unter dem Titel «Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit» (1993), das von einem inhaltlich-theologischen Konzept ausging und nicht nur von einem strukturellen. Damit wäre die Bereitschaft der Menschen zum Mitmachen grösser gewesen. Für unseren Pastoralraum haben wir trotz allem ein gutes theologisches Konzept zugrunde gelegt, das auch vom Bistum genehmigt wurde. Auch ein Projekt wie die Offene Kirche Elisabethen in Basel wäre möglich. Man kann eigene Schwerpunkte setzen.

 

Nun wechseln Sie nach Biel. Was reizt Sie dort?

Biel ist eine offene und lebendige Stadt. Der Bischof will, dass ich die sozialen Fragen voranbringe. Dieser Pastoralraum hatte früher bereits eine Frauenstelle und eine Bildungsstelle, die vermutlich einer falschen Vorstellung von Kirche geopfert wurden. Eine Schwierigkeit ist die aktuelle Struktur der Anderssprachigenseelsorge. Da gibt es zu tun!

Interview: Christian von Arx