Medea Sarbach (Mitte) | © Bernard Hallet
Medea Sarbach (Mitte) | © Bernard Hallet
14.04.2018 – Hintergrund

«Wir sind uns alle sehr ähnlich»

Alle Jugendlichen wollen Frieden, Liebe, Freiheit und Gerechtigkeit

Das Schlussdokument der Jugend-Vorsynode in Rom zeigt, dass die Jugendlichen sich in ihren Wünschen einig sind und die Unterstützung der Kirche brauchen. «So unterschiedlich alle auch waren, umso mehr kam zum Vorschein, wie ähnlich wir uns sind», sagte die Schweizer Delegierte Medea Sarbach zu kath.ch.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Vorsynode mussten ein Dokument verfassen, das etwas Unmögliches zum Ziel hatte: Allen Jugendlichen eine Stimme zu geben und ihre Situationen, ihre Kritik und ihre Vorschläge an die Bischöfe für die Synode im Herbst zu erläutern. Unmöglich war es offenbar nicht. Alle jungen Leute konnten das Dokument, das sich Tag für Tag veränderte, anpasste und vereinheitlichte, lesen und auch kommentieren. «Wir durften vor alle hinstehen und offen sagen, wenn wir mit gewissen Aussagen darin voll nicht einverstanden waren», sagt Medea Sarbach.

300 junge Leute aus der ganzen Welt leben nicht nur in unterschiedlichen Kulturen, sondern erleben auch verschiedene Probleme. Egal, ob die Anwesenden unter gewissen Umständen leiden oder nicht: Sie wollen, so das Dokument, alle das gleiche bekämpfen: organisierte Kriminalität, Menschenhandel, Unterdrückung der Frauen oder Umweltverschmutzung. Und alle Jugendlichen, egal mit welchen Sorgen und Problemen sie in ihrem Herkunftsland kämpfen und leben müssen, wünschen sich Frieden, Liebe, Gleichberechtigung, Freiheit und Gerechtigkeit.

Soll die Kirche diese Weltprobleme im Handumdrehen nun lösen? Nein, darum geht es den Jugendlichen nicht. Sie sagen nur eins: Um mit solchen Umständen leben zu können, um nicht von ihnen verschlungen zu werden, brauchen sie Unterstützung.

Das Wichtigste für die Jugendlichen sei, sagt ein indischer Delegierter an der Pressekonferenz, dass ihre Probleme gehört und ernst genommen werden. «Wir brauchen von der Kirche ein Gefühl der Zugehörigkeit, des Verständnisses für jeden Einzelnen von uns», heisst es im Dokument. «Wir brauchen Gnade, egal ob wir der Kirche fern oder nah sind. Wir brauchen Halt. – Sonst gehen wir unter.»

«Die Kirche ist nicht nur ein Gebäude – wir sind alle Kirche.» Das sagte Raphael Quintero, Theologiestudent aus Kolumbien, gegenüber kath.ch. Das sei jedoch nicht mehr der Fall. «Die Kirche muss unbedingt wieder zu uns kommen. Zu den Orten, wo wir sind.» Das will nicht nur Quintero, wie das Dokument zeigt. Im dritten Teil – Pastorale Aktivität – verlangen die Jungen eine Sache von der Kirche: «Kommt auf die Strasse, in die Bars, in Fitnessclubs und auf Facebook.» Dorthin, wo sie sind.

Die Kirche sei zwar schon oft in Schulen und in Universitäten präsent. «Dort sind wir, die einen Halt im Glauben gefunden und uns auch der Kirche zugehörig fühlen, schon.» Viele der Verfasserinnen und Verfasser des Dokumentes sind dem Glauben nah. Was ist jedoch mit den Übrigen? «Um solche zu erreichen, brauchen wir eine Unterstützung auf der Strasse», so die Jungen im Dokument. «Und wir wären auch selbst bereit, diese Kirchenfernen abzuholen.» Aber dafür brauchen sie Unterstützung – von der Kirche.

Sind kirchenferne junge Menschen denn überhaupt an der Botschaft Jesu interessiert? Ja, sagen die über 300 Jugendlichen nach einer Woche in Rom und die 15 000 weiteren via Social Media. Das Verlangen nach Spiritualität gehe Hand in Hand mit der Frage nach dem Sinn des Lebens. «Fragt man Jugendliche, was der Sinn des Lebens sei, können sie keine Antwort geben.» Nicht etwa, weil es sie nicht interessiert, sondern weil sie die «Verbindung zwischen Leben und Transzendenz verloren haben».

Diese Verbindung in sich selbst aufzubauen und zu verstehen, brauche Führung. Die Kirche habe diese nicht mehr geleistet, kritisiert das Dokument. Immer mehr Jugendliche verlören das Vertrauen in Institutionen und Religionsgemeinschaften. Nicht selten wegen der an die Öffentlichkeit getragenen Skandale.

Francesca Trento, kath.ch/kh