26.11.2020 – Editorial

Adventskalender

Zahlen und Fenster sind in diesen besonderen Zeiten allgegenwärtig. Lüften ist neben Händewaschen und Abstandhalten das Gebot der Stunde, und jeden Tag öffnen sich im Internet die Fenster mit den neusten Zahlen. Während das regelmässige Aufreissen von Fenstern und Türen, um die Luft in den Innenräumen aus­zutauschen, eine einfache, aber hoffentlich ­wirkungsvolle Möglichkeit ist, etwas zu tun, um das Ansteckungsrisiko zu senken, bringt das Ritual des gebannten Anstarrens der täglichen Zahlen für sich allein nichts. Jedenfalls nichts Positives. Keine Erkenntnisse über die banale Feststellung hinaus, dass das Virus nicht über Nacht verschwindet, und das konkrete Ende der Pandemie nicht in Sicht ist. Und vor allem kein Trost, keinerlei Hilfe, auf emotionaler Ebene ­irgendwie mit der Situation klarzukommen.

Höchste Zeit also, den Fokus auf das zu richten, was hinter den Zahlen steckt: auf Menschen, ihre Geschichten und Schicksale. Dies tun Dorothee Becker, Gemeindeleiterin der Pfarrei St. Franziskus Riehen, und der katho­lische Theologiestudent Jan Bergauer aus Untervaz im Bündnerland mit einem Aufruf zu ­einem schweizweiten Gedenken für die an Covid-19 Verstorbenen. Die Zahl der Todesfälle hat innert weniger Wochen deutlich zugenommen, doch in den Medienmitteilungen des Bundes seien die Verstorbenen eine Zahl, mehr nicht, halten die beiden unter dem Titel #LichtInDerTrauer fest. «Wir haben von bundesrätlicher Seite noch keinen Satz des Bedauerns oder des Mitgefühls für die Hinterbliebenen gehört», heisst es weiter.

Mit einem dezentralen Gedenken wollen Becker und Bergauer «ins Bewusstsein rücken, dass die Verstorbenen mehr sind als nackte Zahlen, und dass es Tausende von Hinterbliebenen gibt, die bislang ebenfalls keine Aufmerksamkeit erhalten». Konkret suchen die beiden 100 Orte in der Schweiz, an denen am Silvestertag um 17 Uhr je 50 Kerzen für die bis dahin befürchteten 5000 Verstorbenen angezündet werden.

Mehr zur Aktion #LichtInDerTrauer erfahren Sie bei uns online. Ab dem 1. Dezember finden Sie dort ausserdem jeden Tag ein neues Bild mit Kürzestgeschichten, Impulsen und Lichtblicken zum Advent. Dazu öffnen Sie einfach das Fenster www.kirche-heute.ch, ganz ohne Durchzug und Frieren.

Regula Vogt-Kohler