Christophorus, der Christusträger: 
Statue aus der ehe­maligen Kirche 
St. Christophorus in Basel-Kleinhüningen. | © Laudelina Taboas Hidalgo/Archiv kh
Christophorus, der Christusträger: Statue aus der ehe­maligen Kirche St. Christophorus in Basel-Kleinhüningen. | © Laudelina Taboas Hidalgo/Archiv kh
09.01.2020 – Hintergrund

1. Januar 1970: Abschied von Ursula, Barbara und Christophorus

Vor 50 Jahren strich Papst Paul VI. die Gedenktage einer Reihe populärer Heiliger aus dem Heiligenkalender

Die italienische Filmschauspielerin Gina Lollobrigida kaufte sich nach einem glimpflich abgelaufenen Autounfall demonstrativ eine Minibüste des heiligen Christophorus. Und rund um den Vatikan hatten die Devotionalienhändler schon alle Bilder und Plaketten der jetzt verbannten Heiligen verkauft. Was war passiert?

 

Mit dem Motu proprio «Pascalis mysterii» vom 14. Februar 1969, das am 9. Mai veröffentlicht wurde und am 1. Januar 1970 in Kraft trat, ordnete Papst Paul VI. die Heiligenverehrung neu. Er strich einige beliebte Vorbilder aus dem Heiligenkalender und setzte klare Akzente in verschiedenen Zeiten des liturgischen Jahres.

Die Heiligen wurden fortan an ihrem Todestag gefeiert, vorausgesetzt, dieser liess sich historisch angemessen nachweisen. Das bedeutete offiziell das «Aus» für einige so populäre Heilige wie die Ursula mit ihren Gefährtinnen oder auch Christophorus, Susanna, Barbara oder Cäcilia.

Das traf die Menschen tief in ihrem Herzen. Denn die Katholiken hatten unter den Heiligen eigene Favoriten, die sie in guten oder schlechten Zeiten bevorzugt anriefen, und zu denen sie eine besondere Zuneigung entwickelten.

Ohne gesamtkirchliche Bedeutung

Da in katholischen Gegenden damals noch eher der Namenstag als der Geburtstag gefeiert wurde, war der Schrecken gross. Fiel jetzt der Namenstag aus? Sollten sich die Menschen über Jahrhunderte hinweg geirrt haben? Nein, in den Gebieten, wo diese Heilige besonders populär waren, durften sie weiter verehrt werden – nur hatten sie fortan keine gesamtkirchliche Bedeutung mehr.

Der französische Theologe Pierre Jounel stellte damals das Motu proprio der Presse vor und scherzte noch in völliger Unkenntnis dessen, was da kommen würde: «Man hat mir schon prophezeit, dass mir Heilige mit einem Prügelstock auflauern werden, wenn ich in den Himmel komme.»

Viele Proteste

Tatsächlich war dann die Aufregung so gross, dass nur wenige Tage später in der Vatikanzeitung «Osservatore Romano» eine beruhigende Erklärung veröffentlicht wurde mit dem Titel: «Die Heiligen abgeschafft?» Darin hiess es, die Aufregung sei ein Alarm ohne Grund. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sah sich veranlasst, mit einem mehrseitigen Erklärstück der Öffentlichkeit die offensichtlich gewünschten Informationen anzubieten.

Die Neuordnung des Heiligenkalenders verursachte selbst über die Konfessionsgrenzen hinweg Aufregung. In Kairo etwa war man über die Streichung des heiligen Georg empört, der auch von den Muslimen verehrt wurde. Das griechisch-orthodoxe Patriarchat von Alexandria liess seiner Wut über die Entfernung der Heiligen Georg, Nikolaus und Katharina aus dem Kalender freien Lauf.

Papst Paul VI. nahm die Kritik an den Veränderungen im liturgischen Kalender hin und sass sie aus. Als der neue Heiligenkalender am 1. Januar 1970 in Kraft trat, regte sich kein weiterer Protest mehr, denn mit dem ersten Adventssonntag des Jahres 1969 wurde das neue Messbuch in Gebrauch genommen. Damit kam die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils in allen katholischen Kirchen im Gottesdienst an. Und für die Menschen war diese Umstellung ein echter Einschnitt, der heftige Diskussionen auslöste.

Den Heiligenhimmel globalisiert

Seit der Neuordnung des Heiligenkalenders hat sich im Heiligenhimmel einiges getan. Er ist erheblich vielfältiger geworden, wenn man auf den Ausgangspunkt 9. Mai 1969 zurückschaut. Damals gab es 126 europäische Heilige, jedoch nur acht afrikanische, 14 asiatische, vier amerikanische und einen ozeanischen. Der Heiligenhimmel war also klar europäisch geprägt, obwohl das Zweite Vatikanische Konzil den Wunsch geäussert hatte, einen universalen liturgischen Kalender zu schaffen.

Johannes Paul II. hat für die grössten Veränderungen gesorgt, da er so viele Heilige und Selige kreiert hat wie seine Vorgänger in vier Jahrhunderten zusammen – insgesamt 482. Denn er wollte den Gläubigen auf der ganzen Welt regionale und je nach Stand oder Beruf passende Vorbilder anbieten.

Papst Franziskus wiederum setzte einen ganz eigenen Rekord, als er an einem Tag, am 12. Mai 2013, sage und schreibe 803 Menschen auf einmal heiligsprach, darunter eine 801-köpfige Märtyrergruppe um Antonio Primaldo, die 1480 ermordet worden war.

Im Heiligenhimmel wurde es also immer voller, seit Paul VI. den liturgischen Kalender neu ordnete. Mittlerweile ist auch er selbst dort angekommen, da ihn Papst Franziskus 2014 erst selig und 2018 heiligsprach.

Und was wurde aus den verbannten Heiligen wie Christophorus, Georg, Barbara oder Cäcilia? Natürlich werden sie weiter verehrt und gefeiert, wie auch das vielfältige Brauchtum belegt. Was sind schon 50 Jahre? Und wen interessiert da eine offizielle Anweisung aus dem Vatikan?

Christiane Laudage, kna